Die vergangene Fußball-Weltmeisterschaft 2014 ist für uns die Gelegenheit, sich näher mit dem komplexen System und der Sprache eines Landes zu beschäftigen, welches international immer mehr an Bedeutung gewinnt. Lassen Sie uns einen Blick auf die juristischen und sprachlichen Feinheiten Brasiliens werfen.
Brasilien, eine junge Demokratie mit einer vielversprechenden Zukunft
Vielfach wird vergessen, dass Brasilien eine junge Demokratie ist, deren Verfassung aus dem Jahr 1988 stammt, nach über 20 Jahren Militärdiktatur. 2014 stellt der größte Staat Südamerikas die 8. Wirtschaftsmacht der Welt dar – ein erstaunlicher Aufschwung:
- die Schnelligkeit seines Wachstums in den letzten 20 Jahren;
- seine immer stärkere Präsenz bei den großen internationalen Sportveranstaltungen und kulturellen Ereignissen;
- ein eindeutiger Modernisierungswille, um im internationalen Wettbewerb ganz oben mitspielen zu können.
Der Reichtum dieses riesigen Landes an natürlichen Ressourcen und die Dynamik seines industriellen Sektors ziehen ausländische Unternehmen an, die dort eine Zweigstelle eröffnen oder Firmen in Brasilien gründen oder erwerben. Diese wirtschaftliche Dynamik und führende Position in Südamerika ziehen Wirtschaftsakteure aus aller Welt an, wodurch ein neuer Bedarf an Rechtsübersetzungen entsteht und die portugiesische Sprache wieder an Bedeutung gewinnt.
Die charakteristischen Merkmale der portugiesischen Sprache
Portugiesisch steht weltweit an 8. Stelle der meistgesprochenen Sprachen und ist die Amtssprache Brasiliens. Ebenso wie das Französisch in Québec oder das US-amerikanische Englisch hat es seine Besonderheiten, durch die es sich vom klassischen europäischen Portugiesisch unterscheidet. Die gesprochene Sprache hat afrikanische und amerikanisch-indigene phonetische Einflüsse aufgenommen, welche ein wichtiger Bestandteil der Vergangenheit dieser portugiesischen Kolonie sind.
Aber die Linguisten stellen auch eine starke Weiterentwicklung des in Europa gesprochenen Portugiesisch ab dem 19. Jahrhundert fest, unabhängig von der Entwicklung in Brasilien. So hat die brasilianische Sprache zum großen Teil die Eigenschaften des ursprünglichen Portugiesisch bewahrt, welches von den Kolonisatoren im 15. und 16. Jahrhundert gesprochen und weitergegeben wurde. Daraus ergeben sich ein Akzent, syntaktische Regeln und Formulierungen, die eine perfekte Beherrschung der brasilianischen Sprache erforderlich machen, um auf Portugiesisch verfasste juristische Texte zu übersetzen.
Vereinheitlichung des Portugiesischen?
Diese Schwierigkeiten beim Übersetzen sowie der Aufstieg Brasiliens in der internationalen Wirtschaft haben Brasilien und Portugal veranlasst, nach Wegen zur Vereinheitlichung ihrer Schriftsprache zu suchen: im Jahr 1990 wurde von den verschiedenen lusophonen Ländern eine große Rechtschreibreform beschlossen. Außerdem haben die beiden Länder verschiedene Abkommen zur technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit unterzeichnet und gemeinsame Terminologiekommissionen eingerichtet.
Dennoch behindern diese Unterschiede heute immer noch die gute juristische Übersetzung von Rechtsurkunden, Gesellschaftsverträgen, Handelsregisterauszügen und anderen Dokumenten, die für die internationale Öffnung der brasilianischen Wirtschaft erforderlich sind.
Die andere Schwierigkeit besteht in der Komplexität des brasilianischen Rechtssystems.
Ein besonderes Rechtssystem
Brasilien ist eine präsidentielle Bundesrepublik, bestehend aus 26 Bundesstaaten und einem Bundesdistrikt (Brasilia). Allein dadurch wird die Vielzahl der am brasilianischen System beteiligten Kräfte deutlich, denn dies bedeutet eine große Vielfalt an Regeln und Rechtstexten.
> Die Verfassung von 1988, eine der längsten der Welt
Die brasilianische Verfassung sollte nach einer Zeit der Militärherrschaft von 1964 bis 1985 wieder einen demokratischen Staat herstellen und ist von portugiesischen, spanischen, französischen und amerikanischen Texten beeinflusst, um die Grundrechte der brasilianischen Bürger zu gewährleisten und ein präsidiales und bundesstaatliches System zu begründen.
> Die Komplexität dieses hybriden Systems besteht in der Zuweisung der Kompetenzen und Befugnisse:
- Der Präsident - derzeit die Präsidentin Dilma Roussef – verfügt über die exekutive Gewalt, wie in einem klassischen Präsidialsystem, aber teilt sich außerdem erhebliche legislative Befugnisse mit dem Kongress. Der Präsident wird für 4 Jahre gewählt und ist Regierungschef, er ernennt die Staatsminister und kann sie nach eigenem Ermessen entlassen.
- Der Kongress hat die gesetzgebende Gewalt und besteht aus einer für 4 Jahre gewählten Abgeordnetenkammer und einem Senat
- Die Judikative ist zwischen den Staatsrichtern und den Bundesrichtern geteilt, welche in letzter Instanz vom obersten Bundesgericht kontrolliert werden.
- Auf Bundesebene ist jeder Bundesstaat nach demselben Modell wie der Bund organisiert, mit einem auf 4 Jahre gewählten Gouverneur und einer eigenen gesetzgebenden Versammlung. Er erlässt unabhängig Gesetze zur öffentlichen Gesundheit, zu Umwelt, Vermögen, Bildung, Kultur…
- Innerhalb der Bundesstaaten sind die Kommunen selbst für zahlreiche Bereiche zuständig
Außerdem verfügt jeder Bundesstaat, auch wenn der Bund für die ausschließliche Gesetzgebung hinsichtlich Zivilrecht, Strafrecht, Handelsrecht und Verfahrensrecht zuständig ist, über konkurrierende Kompetenzen in Bezug auf das Steuer-, Wirtschafts- und Finanzrecht.
> Ein neues Zivilgesetzbuch im Jahr 2003
Das brasilianische Zivilgesetzbuch regelt Verträge, Haftung, Familie und Eigentum. Es wurde mit dem Bestreben abgefasst, wieder ein Mindestmaß an sozialer Gerechtigkeit in der brasilianischen Gesellschaft herzustellen. Seine Anwendung gerät zuweilen in Konflikt mit den Folgen einer zu starken Verfassung und der zwischen Staats- und Bundesrichtern geteilten Judikative. Somit kann jederzeit die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsvorschriften in Frage gestellt werden, unabhängig von der Ebene der Rechtsprechung.
Die Herausforderungen bei der Umsetzung und Übersetzung von Rechtsakten auf Brasilianisch
Die Einzigartigkeit des brasilianischen Rechtssystems rührt von der Schwierigkeit her, die bundesstaatlichen Besonderheiten mit der Anwendung einer sehr detaillierten und allgegenwärtigen nationalen Verfassung in Einklang zu bringen. Daraus ergeben sich eine schwerfällige Verwaltung und zahlreiche Einzelschritte sowie zu übersetzende und zu beglaubigende Dokumenten für jedes Unternehmen, das sich in Brasilien niederlassen oder mit brasilianischen Unternehmen Geschäfte machen möchten. Die Besonderheiten der brasilianischen Sprache erschweren qualitativ hochwertige und treffende Übersetzungen zusätzlich. Für juristische Übersetzungen aus dem brasilianischen Portugiesisch und umgekehrt ist eine perfekte Kenntnis der brasilianischen Kultur und der Funktionsweise von Behörden und Rechtssystem des Landes erforderlich.
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